Finnland
Ausser Haus

Johtingeaidnu – The Path Within

Im Projektraum der Schering Stiftung

11. Apr bis 13. Jul 2025

In der Ausstellung treffen zwei Welten aufeinander: samischer Rentier-Nomadismus und die biowissenschaftliche Disziplin der Epigenetik. Das Werk spekuliert über eine andere Art von Wissenschaft, die aus der Relationalität der Zeit und den Beziehungen der nomadischen Rentierwelten hervorgeht. Es befasst sich mit der Idee gemeinsamer, verkörperter Erinnerungen, die in Menschen, Rentieren und den Johtingeaidnu – über Generationen hinweg erhaltenen Wanderrouten – weiterleben.

Die Ausstellung ist das Ergebnis einer langfristigen Zusammenarbeit zwischen der Künstlerin und Forscherin Emilia Tikka, dem Rentierhirten Oula A. Valkeapää und der Künstlerin und Forscherin Leena Valkeapää. Die Installation besteht aus Filmen, Objekten und Geschichten, in denen Migrationspfade und die Körper, die sie bewohnen, Spuren der Vergangenheit und der möglichen Zukunft tragen. Die Installation umfasst Filme und Objekte als Geschichten, in denen Wanderrouten und die Körper, die ihnen folgen, Spuren von Vergangenheiten und möglichen Zukünften aufzeigen.

Die Arbeiten entstehen in der arktischen Landschaft von Sápmi. Hier steht die jahrhundertealte Praxis der nomadischen Rentierhaltung historisch immer wieder Herausforderungen gegenüber, wenn die althergebrachten Wanderrouten wie früher durch Siedlungen und Grenzziehungen, oder wie heute durch den Klimawandel und die Ausweitung von Infrastrukturen und Tourismus bedroht werden. In diesen Kunstwerken zeichnet sich aber keineswegs ein Ende der nomadischen Rentierhaltung ab, sondern eine hoffnungsvolle Zukunft, die aus den Ruinen zeitgenössischer Welten entsteht.

Eine der Geschichten lädt uns in Oula A. Valkepääs Rentierwelt ein, in deren Alltagspraxis Beziehungen mit arktischen Blumen, Steinen und Flüssen, aber auch mit technologischen Objekten zum Leben erwachen. Das mit einer Action-Cam aufgenommene Videomaterial aus dem Lebensalltag mit den Rentieren zeigt, wie die Vergangenheit durch verkörperte Erinnerungen mit dem heutigen Leben verknüpft ist – gleich einem Echo vergangener Leben auf den verlorenen Wanderrouten.

Die zweite Geschichte ist ein Kurzfilm von Emilia Tikka, der in einer spekulativen Zukunft nach einer Klimakatastrophe spielt. In dieser Welt hat das epigenetische Gedächtnis früherer Nomaden in Form von Rentierknochen und Wanderrouten überlebt. Die Erzählung folgt einer Biowissenschaftlerin, die sich in der Arktis auf die Suche nach neuen Techniken der Erinnerung macht.

Das forschungsnahe Kunstwerk basiert auf kollaborativem Geschichtenerzählen und Filmemachen aus den Jahren 2021 bis 2024. Kunstschaffende nutzen Spekulation als Methode, um paradoxerweise Beziehungen sichtbar zu machen, die in der Welt der Rentiere tatsächlich real sind. Gleichzeitig setzen sie sich mit der zeitgenössischen Forschung zur Epigenetik auseinander, die zeigt, wie verkörperte Erfahrungen generationenübergreifend zwischen Menschen vererbt werden können. Ausgehend von Lebensbeziehungen heutiger Rentierwelten und biowissenschaftlicher Forschung, materialisiert das Kunstwerk eine Welt, in der epigenetische Erinnerungen nicht nur zwischen Menschen geteilt, sondern auch in den Wanderrouten der Ahnen getragen werden. Anstatt die verschiedenen Welten und Kenntnisse voneinander zu trennen, verknüpft die Ausstellung sie als Erzählungen von neuen Erinnerungspraktiken, in denen Vergangenheit, Gegenwart und hoffnungsvolle Zukunftsvorstellungen miteinander verwoben sind.

Die Arbeiten entstanden mit Unterstützung von Prof. Miriam Liedvogel (Epigenetik des Zugverhaltens), Prof. Oded Rechavi (transgenerationelle epigenetische Erinnerungen) und anderen. »Johtingeaidnu – The Path Within« entstand in Kooperation mit dem Exzellenzcluster »Matters of Activity« an der Humboldt-Universität zu Berlin als Teil des __matter Festival 2025. Das Projekt wurde von der Kone Foundation und der finnischen Bioart Society gefördert.

Fotos
Links: Samisches Lavvu (Zelt für Rentierhirten), Foto: Oula A. Valkeapää
Rechts: Videostill aus einem Film von Emilia Tikka und Oula A. Valkeapää. Originalaufnahme von Jan Helmer Olsen, Foto: Emilia Tikka, Oula A. Valkeapää